Gibt es die neutrale (unschuldige) Frage?

„Man kann nicht, nicht kommunizieren“, sagt schon Paul Watzlawick, ist daher eine nicht manipulative Frage möglich?

Wer über die „richtig oder falsch“ Frage nachdenkt, verliert sich schnell im Gewirr der Mehrdeutigkeit und der didaktischen Winkelzüge. Jedoch muss man tiefer gehen vom Inhalt der Frage, zur Frage an sich – dem Werkzeug „Frage“ per se.

Aus kommunikationstheoretischer Sicht gibt es einen Befragten und einen Fragenden, welche in die Situation „Frage“ Werte-/Erfahrungssysteme einbringen. Diese treten mit der Frage in Interaktion. Nur an der Schnittmenge zwischen beiden Erfahrungswelten, wo die Aussagen gleiche Emotionen erzeugen oder ähnliche Bilder, nur dort ist Kommunikation möglich.

Jemanden, der in der Wüste als Nomade aufgewachsen ist, ist das Konzept eines Zauns nur schwer begreifbar. Wenn man also über Grenzen, Eigentum, Umzäunung, spricht, so hat der Nomade zumindest Interpretationen, die sich oft nicht mit denen des anderen decken.

Selbst der Begriff Logik/logisch, bedeutet für manche eine TEILWEISE stringente Herleitung einer Aussage, welche durch Ad-hoc Annahmen im Fall von Widersprüchen weiter aufrechterhalten werden kann. Anderen sehen logisch Aussagen nur als solche an, wenn sie stringent von Grundannahmen folgern und OHNE Ad-hoc Annahmen voneinander ableitbar sind – dass diese Grundannahmen leider oft nicht so unangreifbar sind, ist die Tragik der gesamten Situation. So ist die Aussage: „Wir wollen ja, dass es uns allen gut geht“ eine Aussage, die oft nicht zu trifft, sondern für viele Menschen laute, „Ich will, dass es mir gut geht, auch wenn es anderen dadurch schlecht geht.“ Die Aussage, die Wissenschaft ist logisch und korrekt, ist nur so lange als Grundannahme gerechtfertigt, solange man sich auf wissenschaftliche Prinzipien (Arbeitsweisen) beschränkt, bereits die Anwendung dieser und noch viel mehr die ANWENDER dieser haben sich oft als korrupt, engstirnig und unlogisch herausgestellt.

Wie daher mit dem Werkzeug “Frage“ umgehen:

  • Klar werden, woher der Fragende und der Befragte kommen, welche Werte-/Begriffssystem sie mitbringen („logisch“ hat oft unterschiedliche Bedeutungen).
  • Klar die Grenzen abstecken und nach gemeinsamen Spielregeln (Common ground) suchen, auf dem man den Frageprozess durchführt.
  • Klar die Zielsetzung der Frage aufzeigen – ja, ich versuche herauszufinden, warum du zu diesem Schluss kommst, weil ich denke, dass er nicht korrekt ist. Oder, ich verstehe nicht, wie man zu dieser Position kommt, und würde gerne dein Wertesystem besser verstehen.
  • Am besten ist der Frageprozess, wenn man von Anfang an klarstellt, „Ich habe keine Wahrheit (und denke, dass es die in der reinen Form nicht gibt), sondern gute Gründe für meine Haltung und ich bin bereit, diese zu hinterfragen und gegebenenfalls zu revidieren.

Was bleibt einem aber, bei der Erkenntnis, dass es keine „common ground“ gibt, und/oder die Zielsetzungen der beiden implizit einander ausschließen – es gibt nur eine Wahrheit und die kenne ich und alles anderen haben Unrecht. Hier kann man es mit dem Mittel der paradoxen Intervention probieren – jemand, der sich gegen die Bevormundung des Staates ausspricht und das fortgesetzte Tragen von Masken bekrittelt, nimmt man zumindest mit der Aussage – „Ich lasse mir von der Regierung doch nichts vorschreiben, ich denke selber“ sehr schnell den Wind aus den Segeln und stößt vielleicht sogar einen Denkprozess an.

H.F. Gerl 2022