„Ach Scheiße, ich hab keinen Bock mehr!“
Hinweis: Ich fühle mich bei diesem Essay nun überhaupt nicht sattelfest. Wenn ich hier an verschiedenen Stellen oder Themen „Unsinn“ schreibe, bitte ich hiermit um konstruktive Kritik zu meiner sicherlich persönlichen Sicht. Diese möchte ich dann gerne auch an dieser Stelle veröffentlichen, um gemeinsam einen Erkenntnisgewinn zu entwickeln. Auch kann ich nur meine Eindrücke schildern und möchte nichts zu Hintergründen, Motiven o. ä. von hier erwähnten Personen spekulieren – eine Rückmeldung dazu würde mich jedoch sehr freuen.
Warum schreibe ich das hier?
Am Anfang des Textes weiß ich das (noch) nicht genau – ich möchte das anfänglich an meiner Wahrnehmung von Gefühlen der Resignation, Lustlosigkeit, Frustration und Antriebslosigkeit festmachen. Dabei nehme ich das in den letzten Monaten oder Jahren bei unterschiedlichen Autoren, Vortragenden und Kollegen im Bereich Technik und Wissenschaft wahr.
Aktuell scheint mir persönlich die grassierende COVID-19-Pandemie mit den medialen Resonanzen in den letzten zwei Jahren wie ein Vergrößerungsglas zu wirken. Unter diesem Vergrößerungsglas können wir sehen, wie hoch motivierte, mit viel Wissen und Erfahrung ausgestattete Fachleute angetreten sind, sich des „eigenen Verstandes zu bedienen“ (kommt später). Wir sehen Konflikte, die daraus entstehen und die kontrovers und produktiv (also mit Ergebnissen) diskutiert wurden und werden.
Nun, was zeigt sich uns noch? Wir können lupenreine Fehlinterpretationen, absichtliche und unabsichtliche Missdeutungen, ignorierendes oder umdeutendes Verhalten unter diesem Brennglas erkennen.
Und wir können fokussieren, dass das etwas mit den Fachleuten macht …
„Was macht das mit dir?“
Ich nehme seit Jahren wahr, dass Kabarettistinnen und Kabarettisten sich ihrer Kassandrarufe bewusst werden. Der von mir sehr geschätzte Volker Pispers hat beschlossen, nicht mehr auf die Bühne zurückzukommen. Seine Begründung ist überdeutlich. Dazu zählt auch der von mir ebenfalls sehr geschätzte Hagen Rether, der fast schon resignativ darauf aufmerksam macht, dass nach 100 Jahren Wissensanhäufung jetzt wohl mal 100 Jahre „Machen“ angebracht seien – in allen Bereichen. Oder herausragende Wissenschaftsjornalistinnen wie Mai Thi Nguyen-Kim, die sich kabarettistisch sehr unterhaltsam von Carolin Kebekus unterstützen lässt, bei doch sehr ernstem Hintergrund.
Ich lese bei sehr schätzenswerten Fachleuten aus den Bereichen Informationstechnik oder Ingenieurwissenschaft immer häufiger nicht von Erkenntnisproblemen, sondern von der Unmöglichkeit der Umsetzungen. Aus meinen Gesprächen beim VDI darf ich vermelden, dass auf die umfangreichen Misserfolge bei Großprojekten wie Flughäfen etc. nicht freudestrahlend angestoßen wird – Motivation und Aufbruchstimmung sieht anders aus.
Fachleute und Autoren mit – wie ich finde – teilweise enormen Weitblick bei gleichzeitiger Denktiefe „kriegen keinen Griff mehr dran“. Der für mich immer wieder sehr inspirierende Gunter Dueck gab mir auf Twitter mehrere Rückmeldungen zu Gedanken und Fragen. Einige dieser Rückmeldungen haben bei mir so etwas wie ein Gefühl von Frustration gespiegelt. Ich weiß natürlich nicht, wie sich das für Herrn Dueck anfühlt oder darstellt, aber allein die Vorstellung, unsere Fachleute resignieren zunehmend und „verschwinden von der Bühne“, macht mich zutiefst nachdenklich. Vielleicht stellt sich das auch nur durch meine Brille so dar, das wäre doch eine sehr positive Rückmeldung.
Nun, dann gibt es inspirierende Menschen, die sich der allgemeinen Stimmung oder Lage nicht haben beugen wollen. Hoch motivierte, mit viel Wissen und Erfahrung ausgestattete Fachleute wollen Ziele erreichen, naheliegende Lösungen finden und vor allem „machen“. Diese Menschen sind jedoch in der Unterzahl und DAS Argument heißt ja „es muss mehrheitsfähig sein“.
Statt jetzt die vorhandenen (Spitzen-)Fachleute auszuwählen und im effizienten Kreise „machen“ zu lassen, haben wir es heute üblicherweise mit endlosen Debatten, fachfremde Gremien, ineffizienten Mehrheiten und teilweise Idioten zu tun.
Ich nehme erneut das Hilfsmittel der COVID19-Lupe zur Hand:
in der „8. Stellungnahme des ExpertInnenrats der Bundesregierung zu COVID-19“ lese ich auch eine gefühlt resignative Grundhaltung heraus. Persönlich fehlen mir dazu die Einblicke in den Entstehungsprozess, ich habe jedoch in der vorangegangenen 7. Stellungnahme zum Kindeswohl eine deutliche andere Botschaft empfangen. Setzt hier bei den Autoren auch eine Eigenwahrnehmung von Kassandrarufen ein? Vielleicht kann mir jemand dazu verlässliche Hintergrundinformationen geben. Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Eindruck nur aufgrund meiner Wertung so entstanden ist.
Worum geht es denn jetzt hier?
Zurück zum Kernthema der Aufklärung:
„Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
Immanuel Kant
Was hilft mir denn der Mut, wenn ich mich nicht (wie früher) den Gefahren von Aristokraten oder umwälzenden Erkenntnissen ausgesetzt sehe, sondern (heute) endlosen Debatten, fachfremden Gremien, ineffizienten Mehrheiten und Idioten.
Ich möchte hier anregen, nachzudenken. Nachzudenken, was wir denn heute benötigen, um Aufklärung zu „machen“ – im Sinne der Umsetzung.
Persönlich haben wir es häufig mit o.g. „Bedenkenträgern“ zu tun. Ich habe die Frage nach dem „Ruck“ gelesen, der notwendig ist, damit wir „machen“. Aus sehr persönlichen Gesprächen motiviert, denke ich auch immer wieder über die kleinen Schritte nach und gehe diese Wege manchmal (aber auch immer besser) – ein ganz kleiner Ruck gewissermaßen.
Die Kunst hatte einen wesentlichen Anteil daran, die Aufklärung im 18. Jahrhundert in die breite Bevölkerung zu bringen. Kabarettisten wie Herr Pispers haben in unserer Zeit jahrzehntelang lang versucht den Verstand zu adressieren und dafür beim Publikum, der breiten Bevölkerung, stehenden Applaus erhalten – geändert hat sich in Jahrzehnten nichts, außer, na ja, der Künstler ist gegangen.
Wie viel „Frustrationstoleranz“ kann oder sollte man in diesem Kontext aushalten und wie kann man sich gegenseitig dabei unterstützen?
Nach diesen Antworten zu streben, verstehe ich im Moment auch als „machen“.
Wenn es dazu bei irgendjemandem zu einer positiven Resonanz kommt, helft mir dabei. Jede und jeder so gut, wie es aktuell eben geht.
Bis Neulich